Kommt die Inflation oder kommt Sie nicht? Diese Frage beschäftigt aktuell zahlreiche Unternehmen. Inflation ist auch im Zusammenhang mit Unternehmensverkäufen ein wichtiges und strukturell bedeutsames Thema.
Dies gilt unter zwei Gesichtspunkten: einerseits haben Zinserhöhungen der Notenbanken, die als Reaktion auf inflationäre Entwicklungen beschlossen werden, rechnerische Auswirkungen auf Unternehmensbewertungen: ein höherer Abzinsungsfaktor reduziert den Gegenwartswert künftiger Zahlungsströme. Allerdings haben Europäische Zentralbank und US-Notenbank immer wieder betont, dass mit raschen Zinserhöhungen nicht zu rechnen sei, sodass von dieser Seite aktuell wohl kein Ungemach droht.
Andererseits drücken Erhöhungen der Einkaufspreise auf die Margen, wenn ein Unternehmen diese nicht an seine Kunden weitergeben kann. Infolge sinkender Profitabilität kann das Geschäftsmodell eines Unternehmens an Attraktivität verlieren, wenn sich Inflation verstetigt. Derartige Entwicklungen können ein Grund sein, einen Unternehmensverkauf einzuleiten.
Doch steigen die Einkaufspreise der Unternehmen tatsächlich auf breiter Front? Um hier etwas Klarheit zu gewinnen, haben wir die aktuellen Zeitreihen der Großhandelspreise ausgewertet, die monatlich durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht werden. Der Preisindex mit Basisjahr 2015 ist in zahlreiche Teilkomponenten aufgefächert und gibt so ein gutes Bild zur Preisentwicklung bei einzelnen Warengruppen.
Die Auswertung hat ergeben, dass einzelne Indikatoren in der Tat Preiserhöhungstendenzen zeigen. Eine Preisänderung von mehr als 10 Indexpunkten im Zeitraum Januar bis Mai 2021 ist bei Produktgruppen festzustellen, deren Gewicht in Summe etwa ein Viertel des Gesamtindex ausmacht. Demgegenüber sind bei den übrigen Produktgruppen, deren Gewicht in Summe drei Viertel des Gesamtindex ausmacht, keine oder keine erheblichen Preissteigerungen sichtbar.
Die folgende Übersicht verdeutlicht die Ergebnisse der Auswertung in grafischer Form.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Index der Großhandelspreise nach Wirtschaftszweigen; Lange Reihen der Fachserie 17, Reihe 6. Grafische Darstellung: wouters advisory. Ein Kreis = eine 4-stellige WZ-Gruppe; Größe = prozentualer Anteil am Gesamtindex.
Wie zu sehen ist, fanden Preiserhöhungen größer 10 Indexpunkte insbesondere bei Produktgruppen auf den unteren Wertschöpfungsstufen statt, beispielsweise landwirtschaftlichen (Vor)Produkten, Brennstoffen, Mineralölprodukten, Eisenerz, Metallen, Metallhalbzeugen und Reststoffen. Ein Grenzfall sind chemische Erzeugnisse, deren Preise zwischen Januar und Mai diesen Jahres um 9,9 Punkte gestiegen sind; deren Gewicht im Index der Großhandelspreise liegt bei 3,1%.
Der in den vergangenen Wochen oft erwähnte Preisanstieg bei Holz ist mit 33,1 Punkten zwar erheblich; Roh- und Schnittholz gehen jedoch mit nur 0,42% in sehr geringem Maße in den Gesamtindex der Großhandelspreise ein. Im Hinblick auf die ebenfalls oft erwähnte Knappheit bei elektronischen Bauelementen ist bemerkenswert, dass sich die Großhandelspreise in dem Teilsegment (Anteil 3,3%) im Betrachtungszeitraum um lediglich 0,4 Punkte verändert haben.
Es würde den Rahmen dieser Kurzanalyse sprengen, die Preisentwicklungen innerhalb einzelner Produktgruppen im Detail zu analysieren. Die bei der Preisbildung zu berücksichtigenden Faktoren sind zu vielschichtig, zumal Einflussfaktoren wie die zunehmende CO2-Bepreisung oder Transportkosten an Bedeutung gewinnen.
Ungeachtet der jeweiligen Umstände, die bei einzelnen Produktgruppen die Preise beeinflussen, würde eine stetige inflationäre Entwicklung erfordern, dass sich die Preissteigerungen auf den unteren Wertschöpfungsstufen verstetigen, Unternehmen auf den mittleren und oberen Wertschöpfungsstufen erhöhte Einkaufspreise weitergeben und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung dieser Preissteigerungen so gewichtig ist, dass sie auf breiter Front preistreibend wirken.
Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch die Verstetigung inflationärer Tendenzen in Mitleidenschaft gezogen werden kann, sollten diese Einflußfaktoren in der Zukunft genau beobachten, um gegebenenfalls reagieren zu können.
Ihr Ansprechpartner:
Niklas Wouters, Geschäftsführer
 
info@wouters-advisory.de
 
+49 (69) 348 71 777-0